Eine alte Tüte voller leerer Versprechungen -

08. August 2012

Im Alltag sind sie fast überall, für die Umwelt ein riesiges Problem: Plastiktüten. Sie verrotten nicht, verbrauchen bei ihrer Herstellung Erdöl und verschmutzen ínzwischen die Landschaften und Gewässer dieser Welt, vor allem in Entwicklungsländern. Und sie sind normalerweise ein Wegwerfartikel. Wir bringen sie zum Werstoffhof, andernorts landen sie einfach irgendwo in der Natur. Manchmal jedoch wird eine Plastiktüte aufgehoben und wird zu einem zeitgeschichtlichen Dokument. So geschah dies beim SPD-Kreisrat Peter Falk. Bei der Sichtung von Familienbeständen kam ein Tüte zum Vorschein, die man durchaus als „historisch“ bezeichnen kann. Schon daher schenkte Falk diese an seinen Nachfolger im SPD-Kreisvorsitz und als Bundestagskandidat, den Geschichtslehrer Michael Schrodi weiter.

Die Tüte war als Werbeträger gegen die 35-Stunden-Woche hergestellt worden. Bei Verzicht auf die 35-Stunden-Woche bieten die Arbeitgeber in vierblättriger Kleeblattform großzügig „Früherer Ruhestand“, „Mehr Arbeitsplätze“, „Arbeitszeit nach Maß“ und sogar „Mehr Lohn für alle“ an. Der Herausgeber der Tüte wird auch genannt. Es handelt sich um den Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Wie längere Arbeistzeit in der Metallindustrie zu mehr Arbeitsplätzen hätte führen soll, wurde bis heute nicht klar. Selbst das keineswegs linksgerichtete DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) geht davon aus, dass die Arbeistzeitverkürzung in der 80er und 90 er Jahre viele Arbeitsplätze geschaffen hat. Wie die Arbeitszeiten ohne Arbeistzeitverkürzung „nach Maß“ gestaltet werden sollten und vor allem nach welchem Maß, bleibt natürlich auch im Dunkeln. Und das Renteneintrittsalter wird auch nicht vom Arbeitgeber festgelegt. Und dass die Gewerkschaften unter „Mehr Lohn für alle“ etwas andere Vorstellungen hatten als Gesamtmetall, liegt auch auf der Hand. Doch wie alt ist nun diese Plastiktüte voller leerer Versprechungen. Die auf der Tüte angegebene Adresse „Gesamtmetall, 5000 Köln 1, Postafach 250125“ lässt die Tüte auf jeden Fall vor 1993 einordnen, denn seither gibt es fünfstellige Postleitzahlen. Die 35-Stunden-Woche wurde in Deutschland schrittweise ab 1984 dank des vehementen Einsatzes der IG Metall eingeführt. In diesem Jahr war der Konflikt um die Arbeitszeitverkürzung auf seinem Höhepunkt. Vermutlich stammt die Tüte aus dieser Zeit. Zehn Jahre später war dann der Übergang abgeschlossen, seit 1995 galt die 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metallindustrie und weiteren Branchen. Die Tüte hat somit nichts genützt, diesen Konflikt haben die Gewerkschaften für sich entschieden. Es bleibt zu hoffen, dass auch in Zukunft starke Gewerkschaften die Lage der Arbeitnehmer verbessern, damit diese sich nicht mit leeren Versprechen ihrer Arbeitgeber begnügen müssen.

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