Offener Brief an Landrat Karmasin aufgrund seiner Äußerungen in der Süddeutschen Zeitung

13. Januar 2014

Sehr geehrter Herr Landrat,

in einem Artikel der Fürstenfeldbrucker Süddeutschen Zeitung vom 11. Januar 2014 wurden Sie auf die von ihrer Partei initiierte Sozialbetrugskampagne angesprochen und mit den Worten zitiert, ihre Parteifreunde hätten nur den Missbrauch der Sozialkassen angeprangert und weiter erklärt: "Da kann es keinen vernünftigen Zweifel geben, dass man sich davor schützen muss."

Sie betreiben damit ein beliebtes Spiel vor Wahlen, indem Sie die Rollen vertauschen und aus den Tätern Opfer und aus den Opfern Täter machen. Meinen Sie nicht auch, dass nicht eine indifferente Volksmenge geschützt werden muss, sondern dass die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, die Flüchtlinge und ausländischen Mitbürger, vor diffusen Vorurteilen und einer ausländerfeindliche Ressentiments schürenden Kampagne, wie Sie Ihre Partei gerade betreibt, dringend in Schutz genommen werden müssen? Glauben Sie nicht auch, das einer fundierten Diskussion um die Arbeitnehmerfreizügigkeit der europäischen Union und das Asylrecht mit markigen Sprüchen wie „Mehr Kinder statt Inder“ oder „Wer betrügt, der fliegt“ nicht gedient ist? Es ist keineswegs vermessen, wenn nicht wenige Presseorgane feststellen, dass hier erneut mit der Ausländerkarte die diffusen Vorurteile mancher Wähler bedient werden sollen.

Sehr geehrter Herr Landrat, diese und auch Ihre Aussagen bezüglich des vor wenigen Tagen erfolgten Brandanschlags auf ein Germeringer Asylbewerberheim sind gerade in der jetzigen Situation zumindest unbedacht und sicher wenig hilfreich. Warum bagatellisieren die ermittelnden Behörden und auch Sie diesen Brandanschlag, indem Sie unreflektiert wiedergeben, dass es „momentan keine Anzeichen einer fremdenfeindlichen Tat wie den Einsatz von Brandbeschleunigern oder Beschmierungen zur Übermittlung einer Botschaft gegeben hat“? Ist Ihnen nicht bekannt, dass beispielsweise auch bei den NSU-Morden keine Bekennerschreiben hinterlassen wurden und dies den Behörden als Beleg galt, dass es sich keinesfalls um rassistische motivierte Taten handelte? Warum formulieren Sie nicht klar und deutlich, dass bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim ein rassistisches Motiv denkbar ist – wo sonst? - und in diese Richtung ermittelt werden muss? Und glauben Sie mir, ich wäre nicht weniger froh als Sie, wenn die Ermittlungen dann ergäben, dass es sich nicht um eine ausländerfeindliche Tat handelte. Warum aber verharmlosen Sie die Situation zudem, indem Sie im Fürstenfeldbrucker Tagblatt vom 10.1.2014 wenig korrekt behaupten, „die Flüchtlinge seien aber völlig ruhig“ und danach lapidar anfügen, diese „könnten ja in ihren gewohnten Räumen weiter wohnen“? Lässt Sie dieser Anschlag so kalt? Können Sie sich nicht vorstellen, dass vor Bürgerkrieg geflohene Menschen nach einem solchen Anschlag gerade nicht völlig ruhig, sondern verängstigt sind und von Ihnen und den Behörden erwarten, dass sie mit allen Mitteln geschützt werden? Wenn es dann auch stimmt, dass Sie im Fürstenfeldbrucker Kreistag gesagt haben, vielleicht handle es sich ja auch um ein anderes Tatmotiv wie verschmähte Liebe, scheint dies ein weiterer Beleg für eine wenig vorhandene Sensibilität bzw. das Bewusstsein für den Ernst der Situation zu sein.

Sehr geehrter Herr Landrat, ich wünsche mir dringend: Setzen Sie mit uns gemeinsam allen Spaltungsversuchen populistischer Scharfmacher den Entwurf einer solidarischen Gesellschaft entgegen. Distanzieren Sie sich deutlich von jeder Form rechtspopulistischer Scharfmacherei! Bagatellisieren Sie den Brandanschlag nicht, sondern drängen Sie mit uns gemeinsam darauf, dass die Behörden gezielt auch die Ermittlungen auf eine rassistisch motivierte Tat hin verstärken.

Michael Schrodi Vorsitzender der SPD im Landkreis Fürstenfeldbruck

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